Psychiologischer Dienst
Psychologischer Dienst und Psychologen in Haft in Österreich
Der psychologische Dienst spielt eine immer wichtigere Rolle im modernen Straf- und Maßnahmenvollzug in Österreich. Er ist darauf ausgerichtet, die psychische Gesundheit der Gefangenen zu unterstützen, die Resozialisierung zu fördern und die Sicherheit in den Justizanstalten zu gewährleisten. Psychologen sind dabei zentrale Akteure in diesem System.
I. Gesetzliche Grundlagen
Die Aufgaben und die Stellung des psychologischen Dienstes sind hauptsächlich im Strafvollzugsgesetz (StVG) verankert, insbesondere in den §§ 67 und 78 StVG. Die Bedeutung der psychologischen Betreuung wird auch durch internationale Standards und Menschenrechtskonventionen (z.B. Art. 3 EMRK) unterstrichen, die eine menschenwürdige Behandlung und den Schutz der psychischen Gesundheit verlangen.
II. Aufgaben und Zuständigkeiten des Psychologischen Dienstes
Der psychologische Dienst in Justizanstalten ist ein multiprofessionelles Team, das in der Regel von Psychologen geleitet wird und eng mit der medizinischen Abteilung, der Vollzugsleitung und dem Sozialdienst zusammenarbeitet. Die Hauptaufgaben umfassen:
1. Diagnostik und Begutachtung
- Eingangsdiagnostik: Bei Haftantritt oder Übernahme in den Maßnahmenvollzug erfolgt eine psychologische Diagnostik zur Erfassung der Persönlichkeit, der kognitiven Fähigkeiten, der psychischen Belastungen, des Risikoprofils (z.B. Gewalt-, Sucht-, Suizidgefährdung) und des Behandlungsbedarfs.
- Prognoseerstellung: Erstellung von psychologischen Gutachten und Stellungnahmen für gerichtliche Entscheidungen (z.B. bedingte Entlassung aus der Strafe, Entlassung oder bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug, Vollzugslockerungen wie Freigang oder Haftunterbrechung). Hierbei wird die Rückfallgefahr eingeschätzt.
- Erstellung von Vollzugsplänen: Psychologen tragen zur Erstellung individueller Vollzugspläne bei, indem sie psychische Problemlagen und Behandlungsziele definieren.
2. Psychologische Behandlung und Betreuung
- Einzel- und Gruppentherapie: Durchführung von psychotherapeutischen und psychologischen Behandlungen in Einzel- und Gruppensettings. Dies kann sich auf spezifische Themen wie Aggressionskontrolle, Suchtproblematik, Traumata, Depressionen, Angststörungen oder soziale Kompetenzen konzentrieren.
- Krisenintervention und Suizidprävention: Psychologen sind maßgeblich an der Betreuung von Gefangenen in psychischen Krisen beteiligt und spielen eine zentrale Rolle bei der Erkennung und Abwendung von Suizidgefahren.
- Förderung der Resozialisierung: Unterstützung bei der Aufarbeitung der Straftat, der Entwicklung von Alternativen zu kriminellem Verhalten und der Förderung sozialer Kompetenzen für ein straffreies Leben nach der Entlassung.
- Rückfallprävention: Erarbeitung von Strategien zur Rückfallprävention, insbesondere bei Sexual- und Gewalttaten sowie Suchtdelikten.
3. Beratung und Supervision
- Beratung des Anstaltspersonals: Beratung von Justizwachebeamten, der Anstaltsleitung und anderen Mitarbeitern im Umgang mit psychisch auffälligen oder schwierigen Gefangenen.
* Supervision: Gegebenenfalls Supervision von Mitarbeitern.
4. Forschung und Entwicklung
Beiträge zur Weiterentwicklung des Strafvollzugs durch die Teilnahme an Forschungsprojekten und die Implementierung neuer Erkenntnisse und Methoden.
III. Psychologen in Justizanstalten
Psychologen sind die tragende Säule des psychologischen Dienstes. Sie verfügen über eine universitäre Ausbildung in Psychologie und oft eine Zusatzausbildung in klinischer Psychologie oder Psychotherapie.
1. Qualifikation
- Studium der Psychologie: Abgeschlossenes Universitätsstudium der Psychologie (Diplom- oder Masterstudium).
- Klinischer Psychologe / Gesundheitspsychologe: Oftmals zusätzlich die postgraduale Ausbildung zum Klinischen Psychologen oder Gesundheitspsychologen.
- Psychotherapeut: Viele Psychologen im Strafvollzug verfügen auch über eine psychotherapeutische Ausbildung, um eine breitere Palette an Behandlungsmethoden anbieten zu können.
2. Stellung und Zusammenarbeit
- Interdisziplinäres Team: Psychologen arbeiten in einem interdisziplinären Team, das neben der medizinischen Abteilung (Ärzte, Psychiater, Pflegepersonal) auch Sozialarbeiter, Lehrer und Justizwachebeamte umfasst.
- Vertraulichkeit: Psychologen unterliegen der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht, auch gegenüber anderen Anstaltsbediensteten, sofern es sich um sensible, nicht sicherheitsrelevante Informationen handelt, die der psychotherapeutischen Behandlung dienen. Eine Offenbarung ist nur bei unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben gestattet.
IV. Besondere Herausforderungen und Bedeutung in Haft
- Hoher Bedarf: In Justizanstalten besteht ein überdurchschnittlich hoher Bedarf an psychologischer Betreuung, da viele Gefangene psychische Vorerkrankungen, Traumata, Suchtprobleme oder Persönlichkeitsstörungen aufweisen.
- Zwangskontext: Die Arbeit findet in einem Zwangskontext statt, was besondere therapeutische Fähigkeiten und Techniken erfordert, um Vertrauen aufzubauen und Behandlungsbereitschaft zu fördern.
- Rolle im Maßnahmenvollzug: Im Maßnahmenvollzug (Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher, Suchtkranke etc.) sind Psychologen und Psychiater absolut entscheidend für die Durchführung der Therapie und die Erstellung der Gutachten, die über die Entlassung oder Fortsetzung der Unterbringung entscheiden.
V. Gesetzliche Grundlagen (Auszug)
Strafvollzugsgesetz (StVG)
§ 67 StVG – Psychologische Betreuung
(1) Den Verurteilten ist, soweit es erforderlich ist und die Möglichkeiten der Anstalt es zulassen, psychologische Betreuung zu gewähren.
(2) Die psychologische Betreuung dient insbesondere der Erkennung und Behandlung psychischer Störungen, der Förderung der Resozialisierung und der Verhinderung von Rückfällen.
§ 78 StVG – Psychische Betreuung
(1) Den Verurteilten ist, soweit erforderlich, psychologische und psychotherapeutische Betreuung zu gewähren.
(2) Für die Durchführung der psychologischen und psychotherapeutischen Betreuung sind entsprechend ausgebildete Fachkräfte heranzuziehen.