Arbeit
Arbeit in Haft und Entlohnung in Österreich
Die Arbeit in Haft ist ein zentraler Bestandteil des Strafvollzugs in Österreich. Sie dient nicht nur der sinnvollen Beschäftigung der Gefangenen und der Deckung von Anstaltsbedürfnissen, sondern hat vor allem eine herausragende Bedeutung für die Resozialisierung. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind im Strafvollzugsgesetz (StVG) detailliert geregelt.
I. Ziele der Arbeit in Haft
Die Arbeitspflicht im Vollzug verfolgt mehrere wichtige Ziele:
- Resozialisierung und Integration: Das Erlernen oder Bewahren von Arbeitsdisziplin, Verantwortungsbewusstsein und Teamfähigkeit sind essenziell für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nach der Entlassung.
- Strukturierung des Haftalltags: Arbeit gibt dem Tag eine sinnvolle Struktur, beugt Langeweile vor und wirkt den negativen psychischen Folgen des Freiheitsentzugs entgegen.
- Erwerb und Erhaltung von Fertigkeiten: Gefangene können neue berufliche Fähigkeiten erlernen oder bestehende Fertigkeiten erhalten und vertiefen.
- Schuldendeckung und Opferschutz: Durch die Entlohnung haben Gefangene die Möglichkeit, Schulden abzubezahlen, Ersatzleistungen an Opfer zu leisten oder Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen.
- Kostenbeitrag zum Vollzug: Gefangene leisten einen Teilkostenbeitrag zu ihrem Vollzug.
- Förderung der Eigenverantwortung: Der Umgang mit Einkommen und Ersparnissen fördert die Eigenverantwortung.
II. Die Arbeitspflicht (§ 35 StVG)
Grundsätzlich besteht Arbeitspflicht. Jeder Verurteilte, der körperlich und geistig dazu in der Lage ist, ist zur Arbeit verpflichtet. Die Arbeitspflicht ist eine der zentralen Pflichten im Vollzug.
Von der Arbeitspflicht ausgenommen sind Gefangene, die:
- krank oder dauerhaft arbeitsunfähig sind.
- an einer Ausbildung teilnehmen, die die volle Arbeitszeit in Anspruch nimmt.
- Betreuungsaufgaben wahrnehmen (z.B. Mütter mit Kleinkindern in der Anstalt).
- sich in einer Übergangsphase befinden und keine Arbeit zugewiesen werden kann.
III. Arten der Arbeit und Beschäftigung (§ 36 StVG)
Die Justizanstalten bieten verschiedene Arten von Arbeit an, die sich an den Fähigkeiten der Gefangenen und den Bedürfnissen der Anstalt orientieren.
1. Anstaltsbetriebe
- Eigene Betriebe: Dies sind Werkstätten und Betriebe, die direkt von der Justizanstalt betrieben werden und Produkte oder Dienstleistungen für den Eigenbedarf der Justizanstalten oder für externe Abnehmer herstellen. Beispiele: Tischlerei, Schlosserei, Bäckerei, Gärtnerei, Schneiderei, KFZ-Werkstätten.
- Instandhaltung: Arbeit zur Instandhaltung der Anstalt (Reinigung, Küche, Wäscherei, Hausmeisterdienste).
2. Unternehmerbetriebe
Externe Unternehmen können Gefangene als Arbeitskräfte in den Anstaltsbetrieben einsetzen. Die Justizanstalt organisiert und überwacht diese Arbeit.
3. Freigang (Arbeitsfreigang)
Im Rahmen des gelockerten Vollzugs (offener Vollzug, Freigang) können Gefangene tagsüber einer externen, unbewachten Arbeitstätigkeit bei einem regulären Unternehmen nachgehen und kehren abends in die Anstalt zurück. Dies ist die weitreichendste Form der Arbeitsbeschäftigung und die beste Vorbereitung auf die Entlassung.
4. Ausbildung und Weiterbildung
- Berufsausbildung: Die Justizanstalten bieten oft Möglichkeiten zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung an, die als Ersatz für die Arbeitspflicht gelten. Dies ist besonders wichtig für Gefangene ohne oder mit geringen Qualifikationen.
- Schulische Bildung: Auch schulische Kurse können als Beschäftigung gelten.
IV. Arbeitsbedingungen und Sicherheit
- Arbeitszeit: Die Arbeitszeit entspricht in der Regel der außerhalb der Anstalt üblichen Arbeitszeit.
- Arbeitssicherheit: Die Justizanstalten sind verpflichtet, die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes und der Arbeitssicherheit einzuhalten, um Arbeitsunfälle zu vermeiden.
- Krankenstand: Bei Krankheit haben Gefangene Anspruch auf ärztliche Behandlung und sind von der Arbeit befreit.
V. Entlohnung der Arbeit in Haft (§ 42 StVG)
Die Entlohnung von Gefangenen ist gesetzlich geregelt und unterscheidet sich deutlich von regulären Arbeitsverhältnissen.
1. Arbeitsentgelt (Haftentgelt)
* Pauschalsystem: Gefangene erhalten ein Arbeitsentgelt, das in der Regel als Pauschalbetrag pro Arbeitstag festgelegt wird.
Die Arbeitsvergütungsverordnung-Strafvollzug (ArbVVO-Strafvollzug) legt die Stundensätze fest.
Es ist gesetzlich festgelegt und orientiert sich nicht an marktüblichen Löhnen. Die Höhe wird vom Justizministerium festgelegt und regelmäßig angepasst.
Aktuelle Stundensätze für die Arbeitsvergütung im österreichischen Strafvollzug (gültig ab 1. Jänner 2025 lt BGBl. 497/2024) Netto nach allen Abzügen (-75% Haftkostenbeitrag, -6% ALV):
-
leichte Hilfsarbeiten (a): 1,83 €/h
- schwere Hilfsarbeiten (b): 2,06 €/h
- handwerksgemäße Arbeiten (c): 2,29 €/h
- Facharbeiten (d): 2,51 €/h
- Vorarbeiters (e): 2,74 €/h
Es handelt sich nicht um ein reguläres Dienstverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Gefangene sind keine "Arbeitnehmer" mit allen Rechten (Kollektivvertrag, Sozialversicherungspflicht etc.).
2. Verwendungszweck des Arbeitsentgelts
Das erwirtschaftete Arbeitsentgelt wird gesetzlich aufgeteilt und dient verschiedenen Zwecken:
- Haftkostenbeitrag: Ein Teil des Entgelts wird als Kostenbeitrag für den Strafvollzug einbehalten. Dies ist ein Beitrag zu den Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung (Abzug 75%).
- Ersparnisse (Entlassungsgeld): Ein weiterer Teil (50% von Nettobetrag) wird für den Gefangenen angespart und als Entlassungsgeld bei der Entlassung ausgezahlt. Dieses Geld soll dem Gefangenen den Start in die Freiheit erleichtern und die erste Zeit nach der Haft finanziell überbrücken helfen.
- Verfügbares Geld: Der restliche Betrag (50% von Nettobetrag) steht dem Gefangenen monatlich zur freien Verfügung (z.B. für Einkäufe in der Anstaltskantine, Telefonkosten).
- Gläubiger/Opfer: Ein Teil kann zur Schuldenregulierung oder zur Wiedergutmachung an Opfer herangezogen werden, sofern entsprechende gerichtliche Verpflichtungen oder Vereinbarungen bestehen.
3. Besonderheiten beim Arbeitsfreigang
- Reguläres Arbeitsverhältnis: Gefangene im Arbeitsfreigang (§ 110 StVG) arbeiten bei externen Unternehmen in einem regulären Arbeitsverhältnis. Sie erhalten hierfür einen marktüblichen Lohn und sind in der Regel sozialversichert.
- Abzüge: Von diesem Lohn werden jedoch erhebliche Abzüge vorgenommen:
- Haftkostenbeitrag: Ein höherer Beitrag als bei Anstaltsarbeit.
- Unterhaltsverpflichtungen: Zur Deckung von Unterhaltsansprüchen.
- Ansparungen: Ein Teil wird für die Entlassung angespart.
- Steuern und Sozialversicherungsbeiträge: Werden wie bei jedem Arbeitnehmer abgeführt.
- Der Restbetrag steht dem Gefangenen zur freien Verfügung, um z.B. private Ausgaben zu decken oder Schulden zu tilgen. Der Arbeitsfreigang ist daher finanziell wesentlich attraktiver und ermöglicht einen realistischeren Umgang mit Geld.
VI. Gesetzliche Grundlagen (Auszug)
Strafvollzugsgesetz (StVG)
§ 35 StVG – Arbeitspflicht
(1) Verurteilte sind zur Arbeit verpflichtet, soweit sie dazu körperlich und geistig in der Lage sind und geeignete Arbeitsplätze vorhanden sind.
(2) Von der Arbeitspflicht sind ausgenommen Verurteilte, die in Ausbildung stehen, krank oder dauernd arbeitsunfähig sind oder sonstige wichtige Gründe vorliegen.
§ 36 StVG – Arten der Arbeit und Beschäftigung
(1) Den Verurteilten ist eine ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende, möglichst produktive Arbeit zuzuweisen.
(2) Soweit dies im Interesse der Resozialisierung liegt, kann Verurteilten auch eine Ausbildung oder eine andere sinnvolle Beschäftigung zugewiesen werden.
§ 42 StVG – Arbeitsentgelt
(1) Verurteilte, die arbeiten, erhalten ein Arbeitsentgelt. Die Höhe wird durch Verordnung des Bundesministers für Justiz festgelegt.
(2) Vom Arbeitsentgelt sind Beiträge für die Haftkosten, für die Vorsorge für die Zeit nach der Entlassung (Entlassungsgeld) und für die Erfüllung von Unterhaltspflichten oder Schulden zu entrichten.
(3) Der Restbetrag steht dem Verurteilten zur freien Verfügung.
§ 110 StVG – Offener Vollzug (betreffend Arbeitsfreigang)
(2) Verurteilte im offenen Vollzug dürfen die Anstalt tagsüber zur Ausübung einer Arbeit, einer Ausbildung oder zu anderen Zwecken, die ihrer Wiedereingliederung dienen, unbewacht verlassen.